import export.

Katrin Ströbel vagabundiert zeichnend zwischen Schrift und Bild

Die Zeichnungen von Katrin Ströbel sind Anti-Zeichnungen. Es sind lineare Verläufe, Abstraktionen, die Vorgefundenes kopieren, kombinieren und dabei neu formulieren. Atmosphärisches wird man lange suchen in den Graffiti-Dokumentationen, sich überlagernden Ornament-Fragmenten, ins Handschriftliche übersetzten Werbegraphiken. Ströbels Interesse gilt dem Zusammenhang von Schrift und Bild, ein Thema, das die Künstlerin zunächst theoretisch beschäftigte, das aber seit 2005 auch die künstlerische Vorgehensweise mehr und mehr bestimmte.

Offenbar hat sich die rein theoretische Beschäftigung mit dem Komplex Bild/Sprache nicht als erschöpfend erwiesen, denn die Künstlerin begann, ihre eigene akademische Tätigkeit mit Zeichnungen zu kommentieren. Die Tatsache, dass die schriftliche Arbeit ins Stocken geriet, dafür aber die künstlerische Arbeit anschwoll, ist vielleicht ein Anzeichnen für die intellektuelle Qualität des Zeichnens als Medium der Wirklichkeitsaneignung und der Reflexion.
Zahlreiche Auslandsaufenthalte in unterschiedlichen Ländern Afrikas, in Südamerika und Frankreich haben das Interesse der Künstlerin an dem Übergang von Schrift und Zeichnung und an unterschiedlich geprägten visuellen Kulturen befördert. In Paris entstand 2008 die Idee zu dem Projekt „import export“ , einer großen Wandarbeit aus in Frankreich üblichen, hauchdünnen, bunten Plastiktüten. Das Thema dieses Werks ist die Vermischung der Kulturen, ihre Abgrenzungen und Transformationen in einem klassischen Einwanderer-Land. Diese Tüten, die unversehens Spielball des Windes werden können, machte sie zu Bildträgern unterschiedlichster Codes. Verpackungsaufschriften exotischer Waren, Parolen in kyrillischer Schrift, Plakatwerbung oder aber das Cover eines ins Arabische übersetzten Asterix-Heftes spiegeln einen Kosmos, wie ihn die Künstlerin während eines sechsmonatigen Aufenthalts in der französischen Hauptstadt wahrgenommen hat.

Flüchtige Eindrücke, die sie fotografisch dokumentierte, hat sie umgesetzt in reale Zeichnungen auf einem potentiell flüchtigen Träger. Importierte Waren stehen für importierte Anschauungen, die auf exportierte Erfahrungen des Fremden stoßen. Gemeint ist etwa die Lektüre der Künstlerin, die sie über Buchcover in die bunte Vielfalt integrierte, etwa Joseph Conrads „Herz der Finsternis“ oder „Die deutsche Kolonialgeschichte“ von Winfried Speitkamp.
Das Zeichnen dient bei dieser Vorgehensweise also als Übersetzung in einen anderen Kontext, der wiederum das Alltägliche der Mischung der Zeichen und Bilder betont. Ströbel, die in Stuttgart Germanistik, Freie Kunst und Intermediales Gestalten studiert hat, griff nicht aus Lust an einer vordergründigen Innovation zu dem ungewöhnlichen Bildträger, sondern weil er den Zeichnungen im doppelten Sinne eine neue Dimension verleiht.

Frappierend ist der sichere Strich der Künstlerin, mit der sie Dinge, Personen, Tiere umreißt, mit der sie sich die unterschiedlichsten Schriften aneignet. Selbst ihre Homepage ist gezeichnet. Doch findet man nicht nur Werke auf Papier in ihrem Portfolio, sondern auch Fotoarbeiten, Videos und Mischtechniken aller Art. In der Mehrzahl der Werke geht es jedoch um das Schreiben, um die Schrift, aber auch um Bilder, die durch Beschreibungen erzeugt werden, und umgekehrt, um Bilder, die Assoziationen wecken. Ihr Fundus ist die erlebte Gegenwart. So veränderte sie an einer Häuserwand den Schriftzug „LE PEN“ mit nur einer gebogenen Linie in „LEBEN“.

Carmela Thiele

Text veröffentlicht in: Je mehr ich zeichne, Zeichnung als Weltentwurf, Museum für Gegenwartskunst, Siegen 2010

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